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Der nächste Schritt

 

Der nächste Schritt

Weg in die Ferne


Mühsam quälte sie sich aus dem Bett. Ein scharfer Schmerz schoss in ihr Bein. Es würde ihr noch viele Wochen den Dienst versagen. In der Ecke stand ihre Tasche. Eine Schwester hatte ihr beim Packen geholfen. Sie griff nach den Gehstützen und drückte sich von der Bettkante. Ihr wurde schwindelig und sie sank wieder zurück. 

Die Tür öffnete sich. „Wann kommt denn ihr Mann? Wir brauchen das Bett heute nachmittag wieder. Langsam wird es Zeit.“

Sie wartete schon seit Stunden, aber er kam nicht. Die Schwester rief ihr ein Taxi. Der Taxifahrer war ein freundlicher junger Mann. Er holte sie im Zimmer ab und trug ihre Tasche bis in die Wohnung.


Erschöpft setzte sie sich in ihren Lieblingssessel. Die Stille war so laut, dass es in ihren Ohren wehtat. Ein Wasserhahn tropfte. 

Das Bücherregal war leergeräumt. Sie musste nicht im Kleiderschrank nachsehen, um zu wissen, dass seine Kleider weg waren. 

Wie oft hatte sie gestritten, weil er seine Jacke über das Sofa warf, seine Schuhe in den Weg stellte und seine Sporttasche auf einem Stuhl am Esstisch deponierte. Jetzt kam ihr die aufgeräumte Wohnung leer und leblos vor. 


Kein Wort hatte er gesagt. Es war, als habe es ihn nie gegeben. Als sie aufstand, war sie froh um die Gehstützen. So hatte sie etwas, woran sie sich festhalten konnte. 

Das Handy vibrierte in ihrer Tasche. Sie humpelte zum Tisch, setzte sich auf einen Stuhl und nahm es heraus. „Laura, bist du schon zu Hause? Ich wollte dich im Krankenhaus besuchen. Die haben gesagt, du bist mit dem Taxi gefahren. Wo ist Mathias? Wieso hat er dich nicht geholt? Der kann dich doch nicht allein nach Hause schicken. Was fällt dem ein?“ Laura lächelte. Der Redeschwall war typisch für Marie. Sie konnte erst antworten, als diese Luft holen musste. 


„Mathias ist weg.“ Es tat weh, die Worte laut auszusprechen. Irgendwie wurde es erst dadurch wirklich wahr. 

„Was? Aber wieso? Warum? Wo ist er denn hin?“ „Er ist weg“, wiederholte Laura. „Was willst du denn jetzt machen? Du kommst doch mit dem Bein gar nicht alleine klar.“ Laura antwortete nicht. Was hätte sie auch sagen sollen. Auch Marie schwieg. Laura dachte schon, ihre Freundin hätte das Gespräch abgebrochen. Sie hörte Marie tief einatmen. „Ok, ich habe noch ein paar Tage Urlaub. Ich packe ein paar Sachen und komme zu dir. Ich koche uns was und wir reden über alles. Zusammen fällt uns bestimmt was ein.“ 

„Danke!“, flüsterte Laura, aber Marie hörte sie schon nicht mehr. Laura sah aus dem Fenster. Die Wolken waren aufgerissen und ein Sonnenstrahl warf einen Lichtstreifen ins stille Zimmer.

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